Rolf Schwery ist Geschäftsleiter von Acting Responsibly und ein Experte für nachhaltiges Eventmanagement. Mit seiner langjährigen Erfahrung in Corporate Social Responsibility berät er Firmen und Eventorganisationen dabei, nachhaltige Konzepte in ihre Strategien zu integrieren. Im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit dem Verband der schweizerischen Gasindustrie (VSG) spricht er mit uns über die Rolle von Biogas in der Kreislaufwirtschaft, die Bedeutung der Verwertung biogener Abfälle und wie Festivals wie FOOD ZURICH zur nachhaltigen Energienutzung beitragen können. Dabei geht es nicht nur um nachhaltige Events, sondern auch darum, wie jede und jeder Einzelne durch bewusstes Handeln – sei es zu Hause oder bei Veranstaltungen – zur Kreislaufwirtschaft beitragen kann.
Sie beschäftigen sich intensiv mit nachhaltigem Eventmanagement - Welche Rolle spielt die Kreislaufwirtschaft bei der Planung von Veranstaltungen und wie können Festivals wie FOOD ZURICH diese noch stärker in ihre Konzepte integrieren?
Kreislaufwirtschaft beginnt nicht erst beim Abfall, sondern schon bei der Beschaffung. Grundsätzlich gilt: so wenig Material wie nötig einsetzen – und wenn möglich auf Bestehendes zurückgreifen, etwa Mietmaterial oder temporäre Infrastruktur. Ist eine Neuanschaffung unumgänglich, sollte der ökologische Fussabdruck im Zentrum beim Entscheid berücksichtigt werden.
Ebenso wichtig ist der Blick ans Ende des Lebenszyklus: Was bleibt übrig – und was lässt sich daraus noch machen? Abfall ist nicht gleich Abfall. Manche Materialien lassen sich recyceln, andere sogar upcyceln. Gerade im Bereich Branding steckt oft überraschendes Potenzial: Warum nicht aus alten Bannern neue Taschen machen?
Jedes Material bringt seine eigene Geschichte mit – von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung. Wer sie mitdenkt, kann gezielter planen: Was wurde beschafft? Was bleibt zurück? Und was hat noch eine Zukunft? Denn vieles landet heute unnötig in der Kehrichtverbrennung. Das muss nicht sein. Wer strategisch plant und den gesamten Lebenszyklus im Blick behält, kann viel bewirken.
Auch bei der Verpflegung zeigt sich, wie wichtig die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft sind – insbesondere beim Umgang mit Food Waste. Ziel muss es sein, Essensreste möglichst zu vermeiden oder sinnvoll weiterzuverwenden. Was weder verkauft noch verschenkt werden kann, sollte idealerweise stofflich und energetisch verwendet werden - zum Beispiel etwa zur Gewinnung von Biogas durch Biogasanlagen.
Biogene Abfälle wie Rüstabfälle und Speisereste und verbrauchtes Speiseöl bieten grosses Potenzial für die Gewinnung von Biogas. Welche innovativen Lösungen sehen Sie, um diese Abfälle bei Events sinnvoll zu verwerten und zur nachhaltigen Energiegewinnung beizutragen?
Bei der Sammlung biogener Abfälle bei Events geht es entweder darum, sie möglichst nachhaltig zu verwerten, oder darum diese Abfälle energetisch zu nutzen.
In Zürich profitieren wir von der Nähe zu einer Biogasanlage, der Biogasanlage Werdhölzli der Biogas Zürich AG. In solchen Fällen ist Biogas die beste Option. In anderen Regionen muss oft nach Lösungen gesucht werden, da nicht immer eine Biogasanlage in der Nähe ist. Alternativ können kleinere Mengen auch kompostiert werden oder, wenn das auch nicht geht, in Kehrichtverbrennungsanlagen (KVAs) zur Energiegewinnung genutzt werden. Allerdings wird hier das stoffliche und energetische Potenzial der Abfälle nicht voll ausgenutzt.

Die Stadt Zürich hat seit 2023 in allen Liegenschaften Bio-Container eingeführt. Es gibt bereits eine flächendeckende Sammlung biogener Abfälle, die in der Biogasanlage Werdhölzli der Biogas Zürich AG verarbeitet werden. Wie kann FOOD ZURICH als Plattform dazu beitragen, dieses Bewusstsein weiter in die Gesellschaft zu tragen und die Bevölkerung zur aktiven Teilnahme zu motivieren?
Die Sensibilisierung der Gäste für die getrennte Sammlung biogener Abfälle ist fast noch wichtiger als die Menge, die tatsächlich gesammelt wird. Denn wenn Menschen sehen, dass das Sammeln von Bioabfall auch im öffentlichen Raum möglich ist – und funktioniert –, dann ist das ein starkes Signal. Wichtig ist dabei natürlich, dass die Sammlung gut begleitet wird, damit keine Fremdstoffe im Bioabfall landen. Aber das Zeichen, das dadurch gesetzt wird, ist entscheidend: Biogene Abfälle lassen sich fast überall sammeln und trennen. Und wenn das bei einem Festival klappt, gibt es eigentlich keinen Grund, es zu Hause nicht auch zu tun.
Letztlich ist Gewohnheit ein mächtiger Hebel für Veränderung. Ein grosser Event wie FOOD ZURICH kann durch sein Vorgehen dazu beitragen, dass Personen sich an die Trennung biogener Abfälle gewöhnen und somit dabei helfen, genau solche nachhaltigen Routinen im Alltag zu verankern. Wenn es zur Gewohnheit wird, biogene Abfälle getrennt zu entsorgen, dann hat man viel erreicht.

Welche Vorteile bietet Biogas als nachhaltige Energiequelle für Events und die Gastronomiebetriebe?
Biogas bietet gleich mehrere Vorteile: Zum einen wird daraus Energie gewonnen – und zwar aus organischen Abfällen, die anderweitig nicht mehr verwertbar sind. Natürlich produzieren auch Kehrichtverbrennungsanlagen Wärme oder Strom. Aber Biogas geht einen Schritt weiter: In einer Biogasanlage entsteht Methan, wenn organische Abfälle wie Essensreste unter Sauerstoffausschluss zersetzt werden. Dieses Methan kann gezielt genutzt werden, um erneuerbare Energie zu erzeugen – anstatt unkontrolliert in die Atmosphäre zu gelangen. Denn Methan ist als Treibhausgas deutlich klimaschädlicher als CO₂.
Ein weiterer Vorteil: Biogas wird lokal produziert. In Zürich zum Beispiel in der Biogasanlage Werdhölzli der Biogas Zürich AG. Es muss nicht über Tausende Kilometer durch Pipelines transportiert werden. Das macht Biogas nicht nur zu einer ökologisch sinnvollen, sondern auch zu einer einheimischen Energiequelle. In gewisser Weise ist es also nicht nur ein ökologisches sondern auch ein politisches Zeichen.
Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie in den nächsten Jahren in der Nutzung von Biogas und anderen nachhaltigen Energien bei Veranstaltungen und in der Gastronomie?
Wenn wir einen durchschnittlichen Abfallsack analysieren, stellen wir fest: Rund 35 % des Inhalts bestehen aus biogenen Abfällen. Das zeigt, wie gross das ungenutzte Potenzial ist. Auch wenn sich das Dank der flächendeckenden Verfügbarkeit von Bioabfall-Containern in den Liegenschaften bereits etwas verbessert hat, landen nach wie vor viele organische Abfälle in der regulären Abfalltonne und damit in der Kehrichtverbrennungsanlage. Gerade hier liegt sicher eine grosse Chance.
Die Sammlung biogener Abfälle bringt allerdings gewisse Herausforderungen mit sich. Im Gegensatz zu PET oder Aluminium entwickeln sie relativ schnell unangenehme Gerüche. Das erschwert die Handhabung im Alltag ebenso wie bei Veranstaltungen.
Natürlich werden biogene Abfälle nicht alle unsere Energieprobleme lösen. Doch sie können einen relevanten Beitrag leisten – und das vorhandene Potenzial ist längst noch nicht ausgeschöpft.
Wenn Sie an die Zukunft nachhaltiger Events denken – gibt es eine Vision, die Sie besonders begeistert?
Ja, ganz klar: die Vision eines "Zero-Waste"-Events. Ganz ohne Materialien und Beschaffung wird es vermutlich nicht gehen. Aber die Grundidee ist, alle eingesetzten Materialien als Wertstoffe zu begreifen, die entweder mehrfach genutzt oder fachgerecht recycelt werden können.
"Zero Waste" bedeutet somit nicht, dass gar kein Abfall entsteht. Es heisst vielmehr, dass deutlich weniger Abfall produziert wird als bei vergleichbaren Veranstaltungen – und dass möglichst viele Wertstoffe konsequent getrennt und weiterverwendet werden. Ziel ist eine möglichst hohe Rezyklierungsrate. Realistisch betrachtet sind 70 % Rezyklierungsrate ein guter und ökonomisch sinnvoll erreichbarer Wert. Entscheidend dafür ist, bereits bei der Beschaffung auf gut recycelbare Materialien zu achten.
Natürlich stösst man dabei auch an Grenzen – etwa bei Sicherheitsvorgaben oder Qualitätsstandards. Ein Beispiel sind Sicherheitsnetze im Sport: Hier kann man nicht einfach auf biologisch abbaubare Alternativen umsteigen, wenn dadurch die Sicherheit gefährdet würde. Solche Zielkonflikte gehören dazu.
Trotzdem: Die Vision "Zero Waste" bleibt attraktiv – nicht nur für die Praxis, sondern auch für die Kommunikation. Ein Event, das sich sichtbar um Abfallvermeidung bemüht und Kreisläufe schliesst, kann viel bewirken und ein starkes Signal setzen.
1) Wissenswertes zu Biogas
Biogas ist eine erneuerbare Energiequelle, die durch die Verwertung aus biogenen Abfällen gewonnen wird. Das sind im Wesentlichen Rüst- und Speiseabfälle, Gartenabfälle, Grüngut, Gülle, Mist und Ernteabfälle aus der Landwirtschaft sowie Klärschlamm aus Abwasserreinigungsanlagen. In der Schweiz dürfen nur Rest- und Abfallstoffe zur Biogasproduktion eingesetzt werden. Es werden somit keine Nutzpflanzen dafür extra angepflanzt. Diese Voraussetzung muss auch importiertes Biogas erfüllen.
In einem geschlossenen Kreislaufsystem wird der biogene Abfall in einer Biogasanlage vergoren und in Energie umgewandelt. Diese nachhaltige Methode hilft nicht nur, Abfälle zu reduzieren, sondern trägt auch zur Reduktion von CO₂-Emissionen bei. Die Schweizer Gasbranche setzt sich aktiv dafür ein, dass Biogas als Lösung für nachhaltige Energie und Kreislaufwirtschaft stärker genutzt wird. Durch das Sammeln von Bioabfällen an Veranstaltungen, bei Gastronomiebetriebe und zu Hause können wir gemeinsam einen bedeutenden Beitrag zu einer klimafreundlicheren Zukunft leisten
2) Hier mehr erfahren
Mehr zur Förderung von Biogas in der Schweiz hier: